Montag, 30. Juni 2014

Die Barbarei mit dem menschlichen Gesicht (frei nach Raymond Aron)


VETO! HUMAN RIGHTS DEFENDERS‘ NETWORK - DEUTSCHE SEKTION e.V.
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Pressemitteilung
Sozialistische Republik Vietnam
Gewerkschaftsaktivistin Do Thi Minh-Hanh ist freiBundestag und Bundesregierung setzten sich effektiv für sie ein

Bad Nauheim (30. Juni 2014) - Nach einer weltweiten Kampagne gegen ihre Inhaftierung wurde am Sonnabend in Vietnam die Gewerkschaftsaktivistin Do Thi MINH-HANH vorzeitig nach vierjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen. Die deutsche Organisation von VETO! Human Rights Defenders‘ Network verkündet die frohe Nachricht nach Ankunft der 29jährigen in ihrem Elternhaus. In April hat VETO! ihre Mutter zu einem Besuch nach Berlin eingeladen, wo sie mit Vertretern der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages sprechen konnte. VETO! fordert Vietnam auf, die schwer kranke Buddhistin Mai Thi DUNG sowie zwei Mitstreiter von Frau Minh-Hanh, Nguyen Hoang Quoc HUNG und Doan Huy CHUONG, freizulassen.
 Frau MINH-HANH war 2010 zu sieben Jahren Haft verurteilt worden wegen „Störung der Öffentlichen Ordnung“. Ihre als Verbrechen eingestufte Tat war die Organisation eines Streiks gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen der 11.000 Arbeiter einer Schuhfabrik in Südvietnam. Im Gefängnis wurde Frau Minh-Hanh mehrfach gefoltert und brutal misshandelt, weil sie sich weigerte, das ihr angelastete „Verbrechen“ zu gestehen.
Die kürzlich gegründete Menschenrechtsorganisation „VETO! – Human Rights Defenders‘ Network“ mit Sitz in Bad Nauheim hat die weltweite Kampagne für ihre Freilassung in Deutschland koordiniert. Diese Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Menschenrechtsverteidiger zu unterstützen. Maßgebliche Unterstützung erfuhr die Kampagne durch den Menschenrechtsausschuss des deutschen Bundestages und den Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Christoph Strässer (SPD). Der Ausschussvorsitzende Michael Brand (CDU) und die Bundestagsabgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hatten die Patenschaft für die politische Gefangene übernommen. Ein weiteres Ausschussmitglied, Frank Heinrich (CDU), hatte eine Dienstreise nach Vietnam im April dazu genutzt, Frau MINH-HANH im Gefängnis zu besuchen. Für Frau MINH-HANH war dieser Besuch und die damit offenkundig gewordene internationale Aufmerksamkeit für ihr Schicksal von entscheidender Bedeutung für ihre Freilassung.
Wie Frau MINH-HANH gestern in einer ersten Stellungnahme mitteilte, will sie sich für die Freilassung ihrer Mitgefangenen in Hanoi, der Gewissensgefangenen Mai Thi DUNG, einsetzen. Sie wurde wegen Proteste gegen die Verletzung ihres Rechts auf Religionsfreiheit als Buddhistin 2005 und 2007 zu einer gesamten Haftstrafe von elf Jahren verurteilt. Das Gefängnis in Hanoi liegt 2000 Km von ihrem Zuhause entfernt, was ihre Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln sehr erschwert. Frau DUNG ist lebensbedrohlich krank und kann seit einem Jahr kaum laufen.
VETO! weist darauf hin, dass zwei Mitstreiter von Frau MINH-HANH, Nguyen Hoang Quoc HUNG und Doan Huy CHUONG weiterhin langjährige Haftstrafen für ihren Kampf für bessere Arbeitsbedingungen erdulden müssen. Der Einsatz mit dem Ziel, auch diese Menschenrechtsverteidiger zur Freiheit zu verhelfen, wird daher von VETO! fortgeführt.
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Hintergrundinformation
Frau Do Thi Minh-Hanh, geb. 1985, ist Buchhalterin in der vietnamesischen Provinz Lam Dong. Schon im jungen Alter von 16 engagierte sie sich für die „Opfer der sozialen Ungerechtigkeit“, die sich gegen die unrechtmäßige Beschlagnahmung ihrer Grundstücke und Häuser wehrten. Später trat sie in das Komitee zum Schutz der Arbeiter in Vietnam ein. Nach einem Streik in einer Schuhfabrik in der südvietnamesischen Provinz Tra Vinh, den sie mit organisiert hatte, wurde sie 2010 verhaftet und später wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Rechtsbeistand zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sie wurde im Gefängnis mehrmals gefoltert und brutal misshandelt, nur weil sie kein Geständnis ablegen wollte. Außerdem ist Minh-Hanh gesundheitlich angeschlagen. Sie befand sich zuletzt im Lager Thanh Xuan bei Hanoi, 1.700 Km von ihrem Zuhause entfernt. Damit waren Besuche und die Versorgung mit notwendigen Lebensmitteln durch die Familie erschwert.
Die Dachgewerkschaft der Arbeiter in Vietnam (DGAV) ist die einzige zugelassene Gewerkschaft in dem kommunistischen Land. Die Ausbeutung der Arbeitskräfte im niedrigen Lohnsektor hat sich in den letzten Jahren verschärft und immer wieder zu „wilden“ Streiks geführt. Die Regierung betrachtet diese als illegal, weil sie die hohen gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllen und keine Zustimmung der DGAV erhalten haben. Unabhängige Gewerkschaftler, die sich für den Schutz der Arbeiterrechte einsetzen, werden verhaftet und zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Die Lederschuhfabrik My Phong beschäftigte in 2010 rund 11.000 Arbeiter in der südvietna-mesischen Provinz Tra Vinh. Die Arbeiter waren im Januar 2010 wegen der schlechten Bezahlung und der Kürzung von Prämien unzufrieden. Außerdem hatten Taiwanesische Manager Mitarbeiterinnen beleidigt und misshandelt. Am 28.01.2010 wurde dort zum Streik ausgerufen. Um die Ausbreitung des Arbeitskampfes zu verhindern, hatte die Schuhfabrik die Arbeiter in ihren Werkstätten eingesperrt. Die Arbeiter konnten sich später aus der Gefangenschaft befreien, nachdem dreizehn Frauen wegen Sauerstoffmangel bewusstlos geworden waren. Während des Streiks wurden Flugblätter verteilt. Unter anderem forderten die Arbeiter die Fabrik dazu auf, ihre Menschenwürde zu respektieren und die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem sollten zukünftig die Gewerkschaftsvertreter von den Arbeitern selbst gewählt werden. Der Streik endete am 04.02.2010, nachdem die Fabrik sich auf Kompromisse eingelassen hatte.
Nach dem Streik suchte die vietnamesische Polizei nach den Organisatoren des Streiks. Drei Personen wurden verhaftet, weil sie angeblich die Flugblätter verteilt haben sollen: Herr Doan Huy Chuong, Herr Nguyen Hoang Quoc Hung und Frau Do Thi Minh-Hanh.
Verhaftung, Folter, Unrechtsprozesse, unmenschliche Haft
Minh-Hanh wurde mit einem fadenscheinigen Vorwand am 23.02.2010 zu der Polizei der Provinz Lam Dong gelockt und verhaftet. Dort wurde sie von Polizisten im Beisein ihrer Mutter zusammengeschlagen. Sie wurde danach in das Haftzentrum B14 des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit in Ho-Chi-Minh-Stadt überwiesen. Dort und in jedem der darauffolgenden Haftzentren versuchte die Polizei immer wieder, ein Geständnis von ihr abzupressen. Schon während der Untersuchungshaft trat sie in einen Hungerstreik, um gegen die willkürliche Verhaftung und Misshandlung zu protestieren.
Der erste Prozess in der Provinz Tra Vinh fand am 26.10.2010 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, in dem Minh-Hanh nicht anwaltlich vertreten war. Ihre Familie, die erst eine Woche vor dem Gerichtstermin benachrichtigt worden war, konnte keine Rechtsverteidiger für sie finden. Wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ wurden sie und Doan Huy Chuong zu jeweils sieben und Nguyen Hoang Quoc Hung zu neun Jahren Haft verurteilt.
Nach der Verurteilung wurde Minh-Hanh zum Haftlager der Provinz Tra Vinh zurück gebracht. Dort durfte sie über das Thema Berufung mit ihrer Familie während des Besuchs nicht sprechen. Der von ihrer Familie engagierte Rechtsanwalt wurde nicht ins Gefängnis gelassen. Auf vehementen Protest des Anwalts wurde der geplante Gerichtstermin am 24.1.2011 verschoben. Der Berufungsprozess fand am 18.03.2011 - erneut unter Ausschluss der Öffentlichkeit - statt und bestätigte die hohen Haftstrafen gegen die drei unabhängigen Gewerkschaftler.
Der Haftort von Minh-Hanh wurde ständig gewechselt, um Besuche zu erschweren. Ihre Familie erfuhr erst davon, wenn sie vor dem alten Lager stand. In nur vier Jahren durchlebte Minh-Hanh sieben verschieden Gefängnisse. Nach den Lagern in der Provinz Lam Dong, Ho-Chi-Minh-Stadt und Provinz Tra Vinh folgen die Gefängnisse in der Provinz Long An (Ben Luc), Provinz Binh Thuan (Z30D) und Provinz Dong Nai (Z30A). Im Oktober 2013 wurde sie zum Lager Thanh Xuan in der Hauptstadt Hanoi gebracht – 1.700 Km von ihrer Familie entfernt. Die Inhaftierung an einem fernen Ort ist eine unmenschliche Strafmaßnahme. Gefangene werden damit von der Außenwelt isoliert und können von ihren Familien nur unzureichend mit Lebensmitteln versorgt werden, was jedoch für die unterernährten Gefangenen lebensnotwendig ist. Minh-Hanh ist außerdem immer wieder von Gefängniswärtern misshandelt, in Einzelhaft genommen, mit HIV-Kranken zusammen in eine Zelle gesteckt oder zur Bestrafung stundenlang der heißen Sonne ausgesetzt. Der Grund: mal weigerte sie sich ein Geständnis abzulegen, mal protestierte sie gegen die Zwangsarbeit oder gegen die unmenschliche und erniedrigende Behandlung durch das Gefängnis. Minh-Hanh wurde zweimal von anderen Gefangenen zusammengeschlagen. Die Mitgefangenen machten Minh-Hanh dafür verantwortlich, dass sie wegen ihrem „Fehlverhalten“ von den Aufsehern kollektiv bestraft worden waren.
Gesundheit
Da sie im Gefängnis häufig am Kopf geschlagen wurde, leidet Minh-Hanh an chronischen Kopfschmerzen. Seit August 2013 hat sie Schmerzen an der Brust. Ihre Familie vermutet Brustkrebs. In Hanoi wurde ihr eine Therapie versprochen, die nicht stattfand.
UN verurteilt Willkürhaft
Die Arbeitsgruppe über willkürliche Haft des UN Menschenrechtsrates befand in November 2012, dass Do Thi Minh-Hanh, Nguyen Hoang Quoc Hung und Doan Huy Chuong willkürlich inhaftiert sind und forderte die vietnamesische Regierung auf, die Gefangenen freizulassen und zu entschädigen. Der Fall wurde auch an den UN Sonderberichterstatter für Folter überwiesen.
 VETO!-Forderungen während der Inhaftierung:
- Die freie Gewerkschaftlerin DO Thi Minh-Hanh soll sofort und bedingungslos freigelassen,
- Folter und Misshandlung während der Haft soll eingestellt und
- Ihr vermutlicher Brustkrebst soll medizinisch fachlich untersucht und behandelt werden.

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